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Als Cellerar verantwortet Pater Christoph die Finanzen der Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Ein Gespräch über Kapitalismuskritik, die Vorteile der Bescheidenheit und die Schönheit des Weltalls
[/vc_column_text][vc_column_text]Etwas müde sei er, sagt Pater Christoph, als er sich an diesem Frühlingsvormittag im kargen, weiß getünchten Besprechungsraum der Abtei Münsterschwarzach in einen Korbsessel sinken lässt. Wegen seiner großen Leidenschaft für die Astronomie sei er erst um 1 Uhr ins Bett gekommen. Die wolkenlose Nacht habe er genutzt, um mit seinem Teleskop die Sterne zu beobachten. Um 4.30 Uhr ist er wie jeden Morgen wieder aufgestanden, um zu beten und sich danach um die Klosterfinanzen zu kümmern.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“2/3″][vc_empty_space height=“18px“][vc_column_text]Pater Christoph, welche Bedeutung hat Geld für Sie?
Fromm ausgedrückt, ist es Mittel zum Zweck, am Reich Gottes zu bauen.
Die Profite, die Sie an der Börse erzielen, dienen also alle gottgefälligen Vorhaben?
Wir betreiben neben dem Kloster Landwirtschaft, verschiedene Handwerksbetriebe sowie ein Gymnasium und ein Gästehaus, die beide nicht kostendeckend arbeiten. Überdies beherbergen wir 35 Flüchtlinge. Alle Mitbrüder, die sich hier engagieren, arbeiten unentgeltlich und fehlen für andere Aufgaben. Deshalb muss ich zusätzlich externe Mitarbeiter einstellen, was Kosten verursacht. Ohne die Erträge der Vermögensverwaltung könnten wir außerdem auf Dauer keine Investitionen tätigen, weder in einen neuen Traktor noch in andere Projekte.
Profitieren Sie und Ihre Mitbrüder auch direkt von den Erlösen?
Die Abtei hat 80 Mönche, und für deren Altersvorsorge muss ich Rücklagen bilden. Da wir eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, müssen wir das dem Staat nachweisen.
Sind Börse und Christentum überhaupt miteinander vereinbar? Papst Franziskus lehnt ein System der „absoluten Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation“ vehement ab.
Die Kritik des Papstes hat ihre Berechtigung. Um aber eine Schule zu unterhalten, die nach christlichen und ganzheitlichen Maßstäben 800 Schüler unterrichtet, brauche ich eine bestimmte Finanzkraft. Da sich die Schule nicht allein trägt, benötige ich entweder Spender – oder ich folge dem Motto von Pater Anselm, …
… Ihrem Vorgänger im Amt des Cellerars, …
… lieber das Geld selbst zu verdienen.
Die Börse ist also kein Teufelswerk?
Nein. Wir leben nun mal in einer Wirtschaft, und wir partizipieren daran. In diesem System nicht schuldig zu werden ist unmöglich. Wenn man Purist sein will, muss man Kartäuser werden und leben wie im 14. Jahrhundert. Und wer mag das schon?
Das heißt aber nicht, dass Sie bei der Aktienauswahl alle christlichen Maßstäbe über Bord werfen, oder?
Wir hinterfragen immer, was ein Unternehmen tut, und legen unser Geld nachhaltig an. In Rüstung investieren wir nicht. Auch Unternehmen, die dem katholischen Glauben widersprechen, meiden wir. Bei manchen Aktien fällt eine Entscheidung aber schwer: Motoren von MAN oder Mercedes können zum Beispiel auch in Militärfahrzeuge eingebaut werden.
Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben den Leitfaden „Ethisch-nachhaltig investieren“ herausgegeben. Hilft der bei Gewissensentscheidungen?
Ja. Zum einen finde ich darin Bestätigung für mein Handeln, zum anderen kann ich mein Tun damit kritisch hinterfragen. Manche Dinge ändern sich aber über Nacht. Nehmen Sie das Beispiel VW. Da freut man sich über ein nachhaltig geführtes Unternehmen, und plötzlich wird alles infrage gestellt.
Sie sind ein Experte für erneuerbare Energien und haben das Kloster von fossilen Brennstoffen unabhängig gemacht. Spielt Umweltpolitik bei der Geldanlage für Sie eine Rolle?
Wir gehören zu einem Verband von 25 unabhängigen Klöstern, die über die ganze Welt verstreut sind: In diesem Netzwerk tauschen wir uns regelmäßig aus. In Südamerika merkt man zum Beispiel immer stärker den Klimawandel. Das ist ein wichtiges Thema für uns. Für mich wirft die Umweltpolitik von US-Präsident Trump, wenn er sie wie angekündigt umsetzt, das Land weit zurück.
Die Abtei, in der wir sitzen, existiert seit mehr als 1200 Jahren. In welchen Zeiträumen denken Sie, wenn Sie Geld investieren?
Das halten wir flexibel. Auf keinen Fall sind wir kurzfristige Anleger, die täglich oder wöchentlich Käufe oder Verkäufe tätigen.[/vc_column_text][vc_empty_space height=“15px“][/vc_column][vc_column width=“1/3″][vc_column_text]
Pater Christoph:
Vom Techniker zum Mönch
[/vc_column_text][vc_single_image image=“4917″ img_size=“350×350″][vc_empty_space height=“18px“][vc_column_text]Pater Christoph Gerhard trat 1987 nach dem Studium der Elektrotechnik ins Benediktinerkloster Münsterschwarzach ein, arbeitete in der Verwaltung und führte verschiedene Klosterbetriebe, darunter einen Verlag. Im Oktober 2013 übernahm er das Amt des Cellerars. In dieser Funktion leitet der 52-Jährige die Finanzen des Klosters und ist für die Geldanlage verantwortlich. Das Vermögen legt er in enger Absprache mit seinem Vorgänger Pater Anselm Grün zum größten Teil selbst an der Börse an. Dazu tauschen sich die beiden Mönche regelmäßig über Anlagestrategie und ihr Portfolio aus.
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In diesem System
nicht schuldig zu werden
ist unmöglich.
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Bei der Geldanlage gibt es ein gewisses Suchtpotenzial. Dem möchte ich mich nicht aussetzen. Deshalb beschränke ich die Zeit: 15 Minuten pro Woche müssen reichen.
Wie viel Rendite wollen Sie erzielen?
3, 4 oder 5 Prozent wären schön. Mal läuft es besser, mal schlechter – da wir langfristig investieren, sind wir nicht die Risikoscheuesten. Deshalb setzen wir derzeit verstärkt auf Aktien.
Investieren Sie anders als Pater Anselm?
Nein, wir agieren sehr ähnlich. Allerdings bin ich technikaffiner. Bevor ich 1987 ins Kloster eingetreten bin, habe ich Elektrotechnik mit Fachrichtung Informationstechnik studiert.
Pater Anselm verantwortete 36 Jahre lang die Finanzen des Klosters. Es heißt, er kennt sich mit der Börse so gut aus wie mit der Heiligen Schrift.
(lacht) Ich bin mir sicher, Pater Anselm kennt sich mit der Heiligen Schrift besser aus als mit der Börse. Als geistlicher Autor von 300 Büchern im deutschsprachigen Raum ist er einzigartig.
Droht bei Ihnen das Geistliche angesichts des Geschäfts manchmal zu kurz zu kommen?
Der Betrieb muss schwarze Zahlen schreiben. Das ist eine große Herausforderung. Manchmal droht einen der Wirtschaftsalltag aufzufressen. Wenn ein Bereich nicht so gut läuft oder rote Zahlen schreibt, schlafe ich auch mal schlecht.
Das Kloster hat 300 Mitarbeiter und erwirtschaftet 25 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. An der Börse operieren Sie mit hohen Summen. Wie viel Geld steht Ihnen persönlich zur Verfügung?
Es gibt bei uns ein sogenanntes Verfügungsgeld. Wenn ich etwas benötige, dann hole ich mir 50 Euro bei der Kasse.
Was bedeutet für Sie als Mönch Verzicht?
Zuallererst, dass ich einen anderen fragen muss, bevor ich etwas kaufe. Meine Mitbrüder müssen mich als Cellerar fragen. Aber auch ich frage meinen Stellvertreter, etwa wenn ich eine Hose kaufen möchte. Dinge miteinander abzusprechen ist typisch benediktinisch. Ich finde es wichtig, dass meine Brüder mich kontrollieren, damit ich in ihrem Sinn mit unserem Geld umgehe.
Was gilt für einen Benediktiner als angemessene Lebensführung, und wo fängt Verschwendung an?
Ein schwieriges Thema (lacht). Es gibt Mitbrüder, die muss man auffordern, sich endlich mal neue Schuhe, ein Hemd oder eine Hose zu kaufen. Anderen muss man schon mal sagen, der Mantel für 500 Euro hätte es nicht sein müssen. Wir Benediktiner sind so verschieden wie alle Menschen.
Wie schaffen Sie es bei diesen finanziellen Beschränkungen, Ihrem Hobby, der Astronomie, nachzugehen?
Zum Glück gibt es da einen Wohltäter, der mir wohlgesinnt ist. Wenn er mir etwas Gutes tun will, etwa eine neue Kamera für unser Teleskop schenken, sage ich ihm: „Schenk die Kamera dem Kloster.“ Dann gehe ich zum Abt und frage, ob dem Kloster eine Kamera geschenkt werden darf, die mir zur Verfügung steht. Wenn der Abt allerdings Nein sagt, geht es nicht.
Ärgert Sie diese Abhängigkeit nicht manchmal?
Nein. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass ich frei bin. Ich muss nicht Nein sagen, sondern jemand anders sagt Nein. Und wenn zugestimmt wird, dann sagt das Kloster Ja und nicht Pater Christoph. Der Spender ist frei, weil er das Kloster beschenkt. Und ich bin dem Spender gegenüber frei. Und am Ende hat das Kloster die Kamera (lacht wieder).
Sie haben im Kloster sogar eine eigene Sternwarte. Was fasziniert Sie an der Astronomie?
Die Größe, Weite und Schönheit der Schöpfung. Auch das Naturwissenschaftliche, da tobt sich der Ingenieur aus. Und das geistliche Erleben, also direkt Kontakt mit dem Göttlichen aufnehmen zu können. Da merkt man schnell, dass die Welt viel, viel größer ist als die Aktienbörse oder die wirtschaftlichen Probleme, die ich zu lösen habe.
Interview: Paul Prandl[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/3″][vc_single_image image=“4920″ img_size=“350×350″][vc_empty_space height=“18px“][vc_column_text]Vielschreiber Christophs Vorgänger, Pater Anselm Grün, hat sich als Autor von mehr als 300 Büchern einen Namen gemacht[/vc_column_text][vc_empty_space height=“150px“][vc_column_text]
Abtei Münsterschwarzach:
Gehorsam und Beständigkeit als Grundsätze
[/vc_column_text][vc_column_text]„Ora et labora“ („bete und arbeite“) – so lautet verkürzt die bekannteste Regel der Benediktiner. Sie sind der älteste katholische Orden, benannt nach Benedikt von Nursia, der um 529 seine Grundsätze aufstellte: Beständigkeit, klösterlicher Lebenswandel und Gehorsam. Heute gibt es weltweit rund 1180 Benediktinerklöster mit etwa 8000 Mönchen und 16.000 Nonnen. Die Abtei Münsterschwarzach wurde 780 als Frauenkloster gegründet. Nachdem sie 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelöst wurde, erfolgte 1913 die Neugründung. Heute beschäftigt sie etwa 300 Mitarbeiter, die zu je einem Drittel für das Kloster, das Gymnasium sowie verschiedene Gewerbebetriebe arbeiten und einen Umsatz von 25 Millionen Euro erwirtschaften.
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